IV

Der Priester saß Peter schweigend gegenüber. Sie hatten sich in einen kleinen Raum des Turmes zurückgezogen. Von Sven unbemerkt war Peter bestimmt und ohne Zögern durch die Gänge geschritten. Der Geistliche hatte sich nicht getraut zu widersprechen und war von der Situation sichtlich berührt und erschrocken. Etwas in ihm hatte ihm gewahrt nicht zu widersprechen, der imposanten Gestalt und dem zügellosen Wesen Peters keinen Widerstand zu leisten. Viele Zweifel hatte er durchlebt, Menschen hatten sich von ihm und seinem Haus abgewandt. Er war der stumme Verwalter eines versinkenden Glaubens, der unter der Last der Moderne und immer neuen Schichten digitaler Relikte erdrückt wurde. Die Mystik und die Hoffnung, die ihn zu seiner Religion getrieben hatten, waren auch ihm immer schneller aus den Händen geglitten. Zwei Zahlen, die Bilder erschufen, auch das Bild des Einen manifestierten, und das Chaos ordneten, die Symmetrien schufen, wo das Paradies in unzählbare Fragmente zerfallen war, hatten ihn innerlich aufgerieben. Nachdem die Leute, seine Schäflein, zuerst zu ihm kamen um Rat zu suchen, später um ihm ihre Fragen anzuvertrauen, zitierten sie nun selbstbewusst die Antworten, der neuen Propheten, die ihre Lehren in den Foren der neuen Welt verkündeten. Mühelos sprangen sie dabei durch die Zeiten, überwanden Zeitalter und Kontinente, verbanden Kulturen und Weltsichten und gelangten dabei zu Einsichten, die so simpel und tiefgreifend waren, dass er immer tiefer in sich versank.

Die Welt ist komplex, dachte er, doch es gibt immer mehr zu tun, also muss die Welt einfacher werden. Wie kann ich etwas einfaches sagen?Er verstand seine eigene Begrenztheit, war frustriert über seine Hilflosigkeit und glücklich über seine Nutzlosigkeit. Und letztendlich, als auch die Alten gestorben waren und die Anderen eingesehen hatten, dass von ihm kein Trost und keine Hilfe zu erwarten war, hatte er sich immer weiter in seinen Turm zurückgezogen. Die Tür war verschlossen. Und doch hatte er seine Berufung nicht aufgegeben. In stummer Resignation hatte er sich seiner Religion ergeben und gehofft, dass all seine Gewissheiten nicht durch die Gewissheiten der vielen Anderen erstickt würden. Und doch kamen die Zweifel, kam das Andere, kam die Sünde und die Zerstreuung. War erst der Turm ein Bild seines einsamen Kampfes, wurde er mehr und mehr zur einer Kammer der Schrecken, die ihn heimsuchten. Die Zeit brach über ihn hinein und ließ ihn jeden Abend zitternd zurück, im Angesicht seiner eigenen Schwäche. Oft hatte der Priester Peter gesehen, wie er starr in sein Fenster blickte und dabei alles zu durchschauen schien. Die Mauern waren eine gläserne Fassade und auch er war nur eine seidene Hülle, die sein unbekannter Nachbar mit jedem Augenaufschlag durchschnitt.

Als der Priester nun die Tür öffnete und Peter erblickte, wusste er, dass der Moment der Büße gekommen war und er sich willenlos dem größeren Willen ergeben würde. Er war glücklich, dass die ziellose Suche beendet war und begriff, dass sein Streben nicht vergebens war. Es gab keine Religion und der Erlöser stand vor ihm.