VII

Der formlose Boden erzitterte und die transparente Stabilität des Untergrunds löste sich im umgebenden Vakuum auf. Sven sah auf seine Füße und auch wenn die Lichter den Raum unverändert durchbrachen und es keinen Anhaltspunkt für eine Ortsbestimmung gab, wusste er, dass er fiel. Mo‘s apathisches Gesicht, dass auf eine unbestimmt Tiefe gerichtet war, erhellte sich und verschwand in der sich über ihm schließenden Schwärze. Alles war stumm und kein Licht schien in dieser gegenstandslosen Welt.

Mitleidig schaute Peter auf den vor ihm sitzenden Sven. Mit einem zaghaften Lächeln drehte er sich zum Fenster, musterte den Kirchturm und wandte sich wieder Sven zu. „Ey Sven, alles klar mit dir?“
„Peter, ich sehe nichts, alles ist dunkel. Bin ich tot? Wo bist du?“
Das nur zu gut bekannte Kichern drang an Svens Ohren. „Na na, tot ist ein großes Wort und wer weiß schon, was nach dem Leben kommt.“
„Ich erinnere mich nur, dass ich gefallen bin und dann kam das Nichts.“
„Und wie war dieser Fall und was war dieses Nichts?“ fragte Peter jetzt sehr interessiert.
„Schnell und dann langsam und dann schwerelos aber gespürt habe ich nichts.“
„Soso, schnell und langsam, schwerelos und ohne Gefühl, eine leere Welt in Dunkelheit gehüllt, ohne Licht, ohne Menschen und ohne Geräusche.“
„Ja sagte Sven. Alles, was ich höre bist du.“
„Ach Sven. Verkopfte Klischees. Du hörst, was du hören willst, zu hören gedenkst oder hören sollst. Mach dich frei von deinen Zwängen.“ Peter lachte jetzt lauter. „Aber im ernst, mach erst mal die Augen auf.“
Einen Moment noch ergab Sven sich der friedvollen Ruhe, bevor er sich langsam betastete.
„Augen auf, du Schuft! Und keine Fummelei!“
Sven folgte Peters Befehl. Das Licht war grau und abgestanden. Die Kirchturmwand spendete wohltuenden Schatten. Trotz der Eintönigkeit der Farben und Formen, musste Sven sich eingestehen, dass er vermutlich und scheinbar zweifellos lebendig war. Die Gefühllosigkeit seines Körpers und die schweigenden Sinne, eine vergangene Illusion waren.
„Wie bin ich hierhergekommen? Wie bist du hierhergekommen?“ Sven erhob sich von dem Stuhl auf dem er zusammengesunken gesessen hatte.
Peter sagte nichts.
„Wo sind die Anderen? Wo ist Mo und wo ist Schulz? Wo waren wir?“
Mitleidig schaute Peter auf den aufgeregt im Raum umherirrenden Sven und wandte sich schließlich der grauen Wand vor seinem Fenster zu.
„Peter, nun sag schon, was der ganze Scheiß hier soll! Was war das gerade? Wer waren die anderen beiden Gestalten? Wer bist du?“
Peters ständiges Kichern verstummte. Traurig sah er auf die graubraune Monotonie eines Universums aus Rissen und Einkerbungen, aus winzigen und großen Steinen, aus einer unendlich vielgestaltigen Masse unterschiedlicher Atome.
Nach einer Weile sagte er sanft: „Na na Sven. Was sind das denn wieder für Fragen. Manchmal ist es besser nichts zu wissen.“
„Was soll ich tun?“
„Nichts. Manchmal muss man nichts wissen und nichts tun.“
Erschöpft ließ sich Sven in eine Ecke des Zimmers fallen. Nichts tun und nichts wissen, dachte er und fragte sich, ob Peter eine allwissende Maschine aus unbekannten Welten war, die sich frei durch Raum und Zeit bewegen konnte und deren Energiereserven nun nach unzähligen Reisen und unzähligen aufreibenden Gespräche über den Sinn des Lebens erschöpft waren. Erschöpfte Energien oder durchgebrannte Schaltkreise, kam es Sven in den Sinn, denn so tiefgründig die Gespräche auch waren, so sehr drehten sie sich auch im Kreis und so sehr erschöpften sie sich in ihrer eigenen Banalität. Gefangen in einer Endlosschleife erschöpft sich die Energie in sich selbst.
„Gefangen in einer Endlosschleife erschöpft sich das Leben in seiner eigenen Banalität.“ rief Sven laut aus, doch keine Blitze zuckten durch den Raum und Schulz‘ in Staub gehüllte Gestalt blieb abwesend.
Nur Peter wandte sich wieder lachend und mit Stolz in seinem Blick Sven zu. Sven schämte sich für den Gedanken an einen Machinenpeter, aber konnte diesen auch nicht gänzlich verwerfen.
„Ich glaube es ist an der Zeit ein Opfer zu bringen.“, sagte er schließlich mit zu Boden gesenktem Blick.