II

„Nana!“, brachte Peter schließlich mühsam hervor, während er sich er sich keuchend vom Boden hochkämpfte. „Nana!“ wiederholte er und hätte fast vergessen, den Satz fortzuführen. „Nana! Jetzt mal nicht so aufgeregt! Rote Haare, roter Himmel, Hauptsache die Affen frieren nicht.“ Sven, dessen Verstand sich durch die frische Luft langsam lichtete, sah Peter missmutig an. „Das bringt uns jetzt auch nicht weiter. Verstehst du überhaupt irgendetwas von dem, was ich gerade gesagt habe.“ Langsam schüttelte Peter den Kopf und verrieb das Gras auf seiner hellen Jeans. „Natürlich, verstehe ich das. Aber das ist doch albern, meinst du nicht? Erst betrinken wir uns weil du verwirrt bist wegen des Beischlafs mit einer roten Arbeitsamtuschi die es gar nicht gibt und dann treffen wir sie hier in der Dorfdisco? Mit so nen Klischees hab ich es nicht so. Und was meinst du eigentlich wer diese Geschichte erzählt? Bezichtigst du Mo offen der Trivialität?“

Sven seufzte und schaute unsicher zu dem blauen Neonlicht, das die vor der Tür stehenden Gestalten einhüllte. Rote Haaren waren hier blau, die Gesichter blickten kalt und geheimnisvoll durch den Rauch der Zigaretten. Hin und wieder schwangen seltsame Geräusche durch die Nacht. Abgehackte Rufe, ein wildes Röhren, totalitäre Semantik der Tonalität. Peter kicherte und als sich Sven zu ihm umdrehte, glaubte er auf Peters Lippen seine eigenen Worte zu lesen. Totalitäre Semantik der Tonalität. „Ach Sven, nun guck nicht so schockiert. Wird schon. Du solltest wieder mehr schreiben. Oder mehr schlafen. Oder mehr trinken. Oder irgendwas. Lass uns mal hier reingehen, vielleicht finden wir ja wen mit grünen Haaren. Manchmal glaube ich, dass es besser für dich wäre, wenn wir mehr soziale Kompetenz hätten.“

„Soziale Kompetenz?“ wiederholte Sven fragend „Eigentlich mag ich Menschen nicht so sehr…“

An der Tür angelangt warf der Türsteher einen langen Blick auf Peters Hose und musterte die beiden skeptisch, winkte sie schließlich aber mit einer Mischung aus Mitleid und Verachtung hinein. Dreckig und angetrunken aber harmlos, die bestzahlende Kundschaft. „So, Bier?“, versuchte Peter gegen die Musik anzukämpfen und ging schließlich zielstrebig zur Bar. Erleichtert ließen die beiden sich auf die letzten freien Hocker sinken und leerten ihr erstes Bier und den Vodka-E und bestellten schnell eine zweite Runde. Die Musik war laut und bewahrte vor unnötigen Gesprächen. Unsinnige Popmusik und unsinnige Menschen, die sich unsinnig bewegten. Das Licht flackerte und Peter und Sven genossen es gedankenlos auf die Tanzfläche zu starren und wortlos zu trinken und zu rauchen. Vielleicht sollte man das öfter machen, dachte Sven insgeheim und war froh, dass er nicht allein war und dass sich die Lichter langsam zu drehen begannen und er endlich laut über die unfreiwillige Komik der Tänzer lachen konnte. Doch am meisten amüsierte ihn der unbedingte Wille zum Spaß. Vor ihm bildete sich eine eintönige Traube von Teilzeithedonisten, die ihren Tanz auf Grund der Kürze der ihnen gegebenen Ekstase mit größtem Ernst verfolgten. Lachend bestellte sich Sven ein neues Bier und sagt zu Peter: „Ich geh mal tanzen.“ Mit schwingenden Armen und wild wirbelndem Kopf sprang Sven in die Menschenmenge, verkippte die Hälfte seines Bieres und hoffte laut lachend, dass Mo ein Einsehen hätte und irgendetwas passierte.