I

Im Taxi herrschte weitgehend Stille. Nur Sven unterbrach diese hin und wieder mit harmlosen Floskeln, die sich dem Berufsstand des Taxifahrers widmeten. Beide waren zwar betrunken, wahrten aber anstandshalber den nicht festgeschriebenen Kodex, dem Taxifahrer nicht mit dümmlichen Fragen das Leben unnötig schwer zu machen. Überhaupt wirkten sie sehr gefasst und auch ernst. Im Nachbarort gab es eine Disco, der Fahrer hatte schon vermutet, wo es hingehen sollte.

Es war Freitagabend und die Chance, dass etwas Partyähnliches stattfinden könnte, bei der vorwiegend jüngere Leute, sich auf der Tanzfläche bewegend, statt an der Bar klebend, vorzufinden seien, die sichtlich Spaß haben und die Atmosphäre mit Leben füllen, war groß und verunsicherte unsere beiden Helden ausnahmsweise mal nicht im Geringsten.

Peter, der aufgrund seines Gewichtskomplexes kaum aus dem Haus zu motivieren war, frohlockte laut furzend auf der Hinterbank des Wagens. Sven war dies sichtlich peinlich und er schrieb in Gedanken den Taxifahrer-Kodex um das Kapitel ‘Furzen’ fort. “Na, na, na!”, rief der Taxifahrer, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. “Wenn ich Blasmusik hören wollte, hätte ich das Radio angemacht.” Peter furzte verächtlich.

Kurz vor Erreichen der Disco stieg in Sven ein starker Drang nach Gerechtigkeit auf, wie so oft in Situationen, in denen er das Gefühl hatte, dass seine Taten von fundamentaler Bedeutung für die Welt wären und ihm bestimmte Berufsgruppen ermöglichen müssten, diese reibungslos umsetzen zu können. Dazu gehörten einfach Freifahrten mit Bahn und Bus und natürlich auch Taxen. Wie soll man schließlich die Welt verändern, wenn man nirgendwo hinkommt oder Zeit fürs Bezahlen verschwendet? Er versuchte es mit dem vieldeutigen Blick, den Peter ihm vor dem letzten Absinth in seiner Wohnung zuwarf, aber der Taxifahrer machte keine Anstalten, diesen zu erwidern. “So, macht dann 15,60 €!” “Bitte.”, sagte Sven in ruhigem Ton, ohne sein Portemonnaie zu zücken. Der Fahrer sah ihn verwirrt an. “Fünfzehn sechzig bekomm’ ich!”, sagte er etwas gereizter. “Bitte heißt das, du Vogel!”, antwortete Sven in aller Ruhe. Peter öffnete indes die Tür und hievte sich aus dem Auto. Dabei knickte er unglücklich mit dem linken Fuß um und rollte einen kleinen Abhang herunter. Sven starrte unentwegt den Taxifahrer an, als wäre es ein Duell, wer als erster blinzelt. “Hier bitte!”, gab Sven schließlich nach. “Vollidiot!”, sagte der Fahrer und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Sven winkte ihm provokant hinterher.

Aus dem Graben ertönte Peters lallende Stimme: “Du hast dich von dem scheiß Taxifahrer ficken lassen, du Schwuchtel!” Er lag kichernd auf dem Rücken. “Ach, halt doch die Fresse, du adipöse Missgeburt!”, rief Sven, nach dem Rechten schauend.

Die Euphorie der Partynacht hätte nicht betrübter sein können, als Sven im Augenwinkel einen fiebrigen Schimmer der Hoffnung wahrnahm. Rotes, wallendes Haar erstrahlte in einer Gruppe Frauen, die soeben den Klub betraten. “Da ist sie.”, stieß Sven leise hervor, während Peter im Kicherrausch die Kontrolle über seinen Schließmuskel endgültig verlor und wild furzend auf der Wiese umherkullerte.