Schwärze. Stille. Dann, nach einer Weile, ein Lichtkegel, eine Silhouette. „Der Gang schlängelt sich schnurgerade, in endlosen Windungen, zielgerichtet und verloren durch den Tempel, der jetzt dunkler wird. Die Wände verlieren sich in der Höhe der Decken. Die weiße Reinheit der obzönen Figuren, der brutalen Gemälde und plagierten Weisheiten flackert sporadisch durch die ruhigen Schatten der großen Wandleuchter, die elektisch summen, wo LED’s nur tonlos schweigen. Das ehemalige Tollhaus der ausgestorbenen Dorfkultur mittlerweile zu einer unbleckten Stätte erleuchtungssuchender Nihilisten befördert, wandelt, vor in sich selbst blickenden Augen, Richtung unsicherer Zeiten. Je tiefer sich ein Mensch in den von Menschen gemachten Korridoren Schulzes Phantasie verliert, umso tiefer wird auch das Schweigen. Tip, Tap, Tip, Tap, tip, tap, tip. tap, ti, ta, ti, ta. Auf unsichtbaren Schwingen fliegen die Töne davon. Vom Erklingen und Verstummen erzählt das Leben und von diesen Lasterm befreit, bewahrt das Nichts vor Tod und Geburt. Das letzte Licht der Welt, der Glanz in Svens Augen, um das auferlegte Schweigen bemüht, erlischt hinter der nächsten und nächsten Biegung. So irrt ein stummer und unsichtbarer Schatten durch die Dunkelheit der Katakomben, ahnungslos von der Welt und dem Leben, gerüstet nur mit dem, was wir ihm geben.“ Abgang Peter.
„Die Beine vertreten und bloß nichts sagen. Endlich den Kopf frei kriegen. Sowas Albernes, also wirklich. Da wird man verarscht und niemand scheint mehr bei Verstand zu sein. Wobei das natürlich auch so ein Ausspruch ist, der nach Diskusionen, nach einer eingehenden Auseinandersetzung verlangt. Aber mit wem? Auseinandersetzung mit wem? Wo ist Peter?“ Sven war mittlerweile in einen leichten Laufschritt verfallen. Das Licht wurde spärlicher aber die Bewegung half. „Bewegung hilft. Aber wobei? Wobei hilft Bewegung? Den Kopf freikriegen, natürlich, aber wozu den Kopf freikriegen? Eine Welt des Irrsinns, der sich seit einiger Zeit entlädt. Und diese Zeit ist natürlich auch definiert. Denn wer weiß, was davor kam. Der Urknall und plötzlich war alles da. Doch selbst wenn ich mich an eine Vergangenheit erinnere, muss das nichts heißen. Mit dem großem Knall kam das große Chaos. Eigentlich fing alles mit dem Arbeitsamt an. Arbeitsamt und summende Lichter“, dachte Sven. Doch wie war es davor? Gab es eine Zeit ohne Unsinn und Chaos? „Das ist doch die Frage, was war vor dem Chaos und was ist das Nichts.“ Treppen auf und Treppen ab, lief Sven, und verstrickte sich immer tiefer in seinem klaren Kopf. „Treppen auf und Treppen ab und dann bin ich am Ziel.“ Als Sven um den nächsten Abzweig bog, bemerkte er zu spät, dass ihm eine Wand den Weg versperrte. Mühsam versuchte er seinen Lauf zu bremsen, ruderte verzweifelt mit den Armen und fluchte bereits vor dem Aufprall, doch die Tiraden halfen nichts und erstickten, als die Wand mit Sven kollidierte. Ein weiteres Mal an diesem Tag schlug unser Held auf dem Boden auf und durch ein fahles Zwielicht sich langsam lichtenden Schmerzes sah er das Gemälde, das vor ihm auf dem Boden lag. Durch den Zusammenstoß zu Boden gefallen, war der Rahmen gebrochen und Farbe war bröckelte in großen Stücken von dem bräunlichen Papier. Sven öffnete und schloss die Augen, von dem Bild angezogen und abgestoßen, wusste er nicht, wie er in diese Sackgasse geraten war und wie er jemals wieder aus den Abgründen von Schulzes Finsternis hinausfinden sollte. Immer noch unschlüssig, wie er sich dem Bild gegenüber positionieren sollte, blieb Sven dabei im schnellen Wechsel seine Augen zu öffnen und zu schließen. Es schien ihm die sinnvollste Reaktion auf eine ausweglose Lage und eine absurde Welt. An- und Absage in einer fließenden Bewegung, Leugnung und Akzeptanz in einem Wimpernschlag. Alles um ihn herum zeigte sich doppelt und zeigte sich nicht und die Leere der Zwischenräume wurde gefüllt mit Spekulation. Das Kunstwerk zu Sven Füßen bildete so eine grobe Skizze der Wirklichkeit, die von ihm gewüllt werden wollte. Die Figuren bewegten sich, irrsinnig wandten sie ihre Blicke. Die Körperhaltung völlig entspannt wurde zu einem spastischen Zucken entspannter Körper. Haare wirbelten, bewegungslos und als einförmige Masse. Ein erschrockenes Gesicht, ein lüsterner Blick, ein Lachen und das unerschöpfliche Auslaufen eines Gefäßes, waren zu ewiger Bewegungslosigkeit erstarrt und alles davor und danach war phantastische Spekulation. Alles was war, war hier. Doch auch wenn die Zeit nicht existierte, wurde das Bild von Svens wildem Blick in Bewegung gesetzt, und die panischen Krämpfe der Figuren, die aus ihrer ewigen Haltung ausbrechen wollten, betonten nur ihre Hilflosigkeit und die Unvergänglichkeit des Augenblicks. Sven kam ein Gedanke. Abrupt hielt er in der Bewegung seiner Lider inne. Den austeigenden Schwindel und der obligatorischen Übelkeit die Stirn bietend sprang er auf und tastete die Wand neben ihm ab. Über seine Zwinkergeschwindigkeit überrascht, hatte Sven erst nicht bemerkt, dass sich in der Wand neben ihm eine unscheinbare Tür befand, die sich kaum von der sie umgebenden Wand abhob. Jetzt stemmt er sie ächzend auf, kroch hindurch und erblickte steil nach oben führende Treppen. Stockwerk und Stockwerk bahnte er sich seinen Weg nach oben, ging zuerst, lief dann und rannte schließlich, bis er von weit oben ein Licht sah, dass sich beim näherkommen als Tür enttarnte.