XIII

„Arbeitsamt…“, murmelte Sven und sagte schließlich „Murmelte ist auch schon ein seltsames Wort. Weißt du manchmal beobachte ich mich als allwissender Erzähler selbst und sehe mich in der…“

„Auktorial,“, unterbrach ihn Peter „du meinst wohl auktorialer Erzähler. Wenn du mir hier schon mit so nem trivialen Scheiß kommst dann aber richtig.“

„Ach.“, verstummte Sven für einen Moment, nur um schließlich einen weiteren verzweifelten Versuch zu unternehmen, sich wenigstens einer Person verständlich zu machen. „Also murmeln, meinst du nicht. Das ist doch seltsam, das sagt man so, also in meinem Fall dieser allwi… also sagen wir ruhig auktoriale oder noch besser autoritäre Erzähler. So als Redewendung. Aber sobald du dann darüber nachdenkst, kommt dir das Wort komisch und unsinnig vor. Was heißt das schon „er murmelte.“ und wie grenzt sich dieses murmeln von dem anderen murmeln ab. Also dem mit den kleinen Kugeln. Murmeln oder murmeln, darauf scheint es letztendlich hinauszulaufen. Manchmal weiß ich echt nicht wer hier eigentlich denkt, ich oder der Erzähler, als der ich mich sehe. Aber am Ende bin ich ja dann doch wieder derjenige, der denkt, nur maskiert als fiktiver allwissender…“

„Geschichtennazi“, sagte Peter bestimmt und machte so klar, dass er keinen Widerspruch duldete. Er ging zum Kühlschrank, holte zwei neue Bier und beäugte erst misstrauisch, dann aber mit einer gewissen Gier die Schokomilch. „Mann, kein Wunder, dass du bei so nem Scheiß durchdrehst. Das ist ja ganz furchtbares Gestammel, was du da von dir gibst. Zum Teil ganz interessant aber wirr. Klingt nach so ner lauen, weichgespülten Metaphysikscheiße von nem Vollzeithipster, jetzt noch Bart und so ne enge Jeans und Sonnenbrille und… Ach ne zum Hipster taugst du auch nicht. Vielleicht erstmal nen Schnaps.“

„Aber selbst..“ brachte Sven resigniert hervor und hoffte es möge vorwurfsvoll klingen. „Erst kommt du mir mit Abwärtsspiralen und badenden Affen und damit, dass du mich umbringen willst und dann auch noch Soldaten, die als Saurier verkleidet sind.“

„Saurier-Soldaten. Das ist ja wohl ein Unterschied.“, warf Peter ein, während er zwei kleine Gläser mit einer grünen Flüssigkeit vollgoss.

„Ja jedenfalls mit all diesem Zeug und dann bin ich plötzlich wirr.“

„Na wenigstens weiß ich, was ich da eigentlich erzähle und bin mir klar darüber was mit mir passiert. Ich will ja nicht sagen, dass alles oder einiges oder überhaupt etwas von dem was ich sage Sinn macht. Aber zumindest bin ich davon überzeugt und kann einigermaßen zwischen Realität und Fiktion unterscheiden. Also angenommen, dass es hier eine Trennung gibt und angenommen Figuren in einer Geschichte können zwischen Fiktion und Realität unterscheiden, wenn vielleicht gerade der Erzählnazi an dieser Frage verzweifelt. Und das mit den Saurier-Soldaten ist eben eine lustige, und nebenbei bemerkt, längst veraltete Anekdote und hat nichts mit deiner abgedroschenen Metaphysik zu tun. Und jetzt trink das.“

Sven starrte Peter lange Zeit angsterfüllt an. Seine Augen wurden kleiner, er begann zu schwitzen und das Glas in seiner Hand bebte leicht. „Was soll denn das jetzt wieder heißen? Welche Figuren und welche Geschichte? Bis du verrückt?“

Peter erwiderte Svens Blick lange Zeit schweigend. Einige Male öffnete er den Mund leicht, als wollte er etwas sagen, blieb dann aber stumm. Schließlich zeigte sich ein entschlossener Ausdruck in seinem Gesicht. Die Ankündigung einer unbequemen und endgültigen Wahrheit. Dann lachte er lauthals und sein Gesicht wurde immer roter. Sein Kopf, eigentlich sein ganzer Körper sah aus wie ein zum bersten gefüllter Ballon im Todeskampf, dessen Umrisse sich immer weiter ausdehnten und nur im Knall endlich verstummen konnten. „Mensch Sven, was ist denn mit dir los. Früher hast du auch mal Spaß verstanden. Du hast doch mit dem ganzen Scheiß von allwissendem Erzähler und so angefangen. Betrink dich heute erst mal, wenn du morgen den Kater spürst, weiß du auch wieder wer du bist und was um dich herum passiert.“

Sven schaute skeptisch aber etwas beruhigt. Mit einem Zug trank er das Glas in seiner Hand aus und schnappte wütend nach Luft. „Verdammt! Wirklich… Absinth???!! Was besseres fällt dir nicht ein, wenn ich schon nicht weiß, was hier läuft und was ich träume und was nicht.“

„Reg dich nicht auf. Das ist auch wieder die Logik der Abwärtsspirale. Wenn du jetzt schon nicht weißt was Fiktion ist und was nicht, dann kann Absinth auf jeden Fall nicht mehr schaden. Und was nicht schaden kann, das hilft dann auch. Lass uns mal an die frische Luft und in irgend ne Bar gehen. Und nimm dieses Schreiben vom Arbeitsamt mit. Ich will wissen wie es mit deiner Geschichte weitergeht.“ Schnell leerte Peter sein Glas und füllte sich und Sven nach. Schweigend tranken sie.

„Ich weiß nicht.“, sagte Sven und kippte apathisch seinen Absinth hinunter. „Eigentlich wollte ich morgen Laufen gehen. Heute habe ich es nicht geschafft.“

„Nana.“, erwiderte Sven aufmunternd und sah Sven mit einem vieldeutigen Ausdruck an.