III

Sven machte sich große Sorgen, während die beiden vorauseilten. Was, wenn Peter den kleinen Mann jetzt einfach irgendwo durchorgelt? Er verfluchte mal wieder seine schmutzigen Gedanken und war insgeheim froh, dass keiner sie lesen konnte. Noch froher war er, dass er bis zum heutigen Tag immer an sich halten konnte, ohne dass seine absurden, nicht selten verletzenden Hirngespinste unkontrolliert aus ihm herausbrachen. Manchmal, bei besonders heftigen geistigen Auswüchsen, musste er sich vergewissern, dass diese nicht aus seinem Kopf herausquollen und irgendwo manifestierten, wo sie dann ihr Unwesen als fleischgewordene Alpträume trieben. Zuweilen befand er seine Gedanken für derart dunkel, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass irgendjemand sonst, auch nur im entferntesten, so wie er gespalten sei. Aber das ist wohl die menschliche Natur, dachte er, und es bringt nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, weil es alle tun. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht, wie man die Finsternis in sich im Zaum hält oder eben auslebt. Gut oder Böse ist keine Einteilung, sondern Lebenseinstellung.

“Ja, gib’s mir, du böser Junge, du Schlimmer du, du wilder Hengst!” Vor einer halb geöffneten Tür stehend, vernahm Sven eine abgehackte, metallische Stimme. Er ahnte Furchtbares und lugte vorsichtig in den Raum dahinter, welcher menschenleer war. Nur der Fernseher lief, wo gerade ein Sexroboter vorgeführt wurde. “Besorg’s mir härter, du geiler Bock!”, gab die künstliche Kreatur stöhnend von sich. Sieht täuschend echt aus, dachte Sven, dem ein bisschen Blut in die Hose lief, was zu einer kleinen Ausbeulung seiner Jeans führte, aber bei der Stimme hätte man wirklich mehr Wert auf Natürlichkeit legen können. Wer fährt denn auf diese plumpe Roboter-Anmachdidaktik heute noch ab? Die Kamera schwenkte auf einen Mann, offensichtlich der Erfinder des Porno-Androiden.
“Sexualität ist nur ein Bereich, in dem Roboter den Mensch in Zukunft ersetzen werden. Dabei ist künstliche Intelligenz beim Geschlechtsverkehr eh nicht so wichtig. Ich glaube, keiner von uns möchte einen Roboter, der plötzlich über Kopfschmerzen klagt oder sich wundert, ob er bzw. sie die Wäsche aufgehängt hat, wenn man zur Sache kommen will. In anderen Bereichen ist KI jedoch schon so weit, dass sie sich selbst etwas beibringen kann. Aber wer will schon einen Sexsklaven mit potentiellem Eigenleben? Da kann man sich auch gleich mit den eigenen Artgenossen abgeben.”

Sven schauderte einen Moment lang vor der Vorstellung, Lydia sei ein Sexroboter mit Eigenleben, erschaffen, nur um ihm die Anerkennung einer Frau vorzugaukeln, wo er doch sonst ziemlich chancenlos beim weiblichen Geschlecht war. Aber wer sollte so etwas unsäglich Absurdes entsinnen, nur um ihn leiden zu lassen? Und wo zur Hölle sind Peter und der Priester? Bitte, lass Peter dem armen Priester nichts antun, flehte Sven an einen unbestimmten Gott. Wie konnte sein Leben in so kurzer Zeit nur so aus den Fugen geraten? Er begann zu taumeln und musste sich an einer Sofalehne abstützen. Vor seinen Augen wurde alles schwarz.

Jetzt sitz’ ich hier
Und seh nichts mehr
Und um mich herum die Sterne

Von ihr an blind
Ich spür’s in mir
Ein Zittern in der Ferne