V

“Zeig mal her!”, sagte Peter und riss Sven das Buch aus der Hand.
31.10. Gebrauchsanweisung zum Schreiben eines Bestsellers.
Schritt 1: Bringen Sie möglichst viele Anspielungen zur griechischen Mythologie ein.
Schritt 2: Verwenden Sie Fremdsprachen, am besten Französisch.
Schritt 3: Vermeiden Sie…
“Bullshit!”, unterbrach Sven. Das denkst du dir doch gerade aus, du Hund! Nicht schon wieder diese Buchscheiße! Gib her!“
Also, 31.10. Gestern kamen doch tatsächlich diese verkleideten Bratzen hierher und kommen mir mit ‘Süßes oder Saures’. Unmotivierter und klischeehafter geht es nicht. Hätte ihnen gerne beides in Form von Schlägen gegeben, aber der Anstand, ja dieser verdammte Anstand… Habe stattdessen ein paar alte Dauerlutscher aus der hintersten Küchenschublade gekramt. Sollen sie sich doch daran die Zähne ausbeißen.
„Mo, unser Kinderfreund! Peter lachte lautstark und das Echo vibrierte im leeren Raum.
3.11. Vermeiden Sie unbedingt genaue Zeitangaben, z. B. die Abfolge von Daten.
Sven sah auf zu Peter, dieser lächelte nach kurzem Schweigen anerkennend zurück.
„Chapeau, mein Freund. Ein erster wichtiger Schritt deiner Besserung auf dem Weg zur Erkenntnis.“
„Jaja!“, sagte Sven und fuhr fort. „Aber das war’s. Die letzte Seite scheint zu fehlen, wurde rausgerissen.“
„Hmm, vielleicht der komische Zettel, den Hannes dabeihatte?“
„Hmm, gut möglich…“
„Und keine Adressen in dem Buch?“
„Warte, ich schaue weiter vorne. Boah, Mo hat echt viel geschrieben. Hier, ganz vorne ist ein Kapitel Stammgäste. Aber hier steht nur ganz wenig, die meisten Namen kenn ich gar nicht. Wer ist Werner?“
„Wahrscheinlich son Skatrentner.“, sagte Peter.
„Und Martin, Horst, Dieter?“
„Auch, denk ich mal.“
„Kein Wort von uns oder Hannes!“ Verzweifelt warf Sven das Buch in eine Ecke. „Das darf doch nicht wahr sein.“ Sven schluchzte jämmerlich.
„Ich hab eine Idee!“, frohlockte Peter.
„Bitte nicht!“
„Doch, das wird dir gefallen! Wir spielen ein Spiel. Wir gehen jetzt zum Bäcker und du bestellst Brötchen. Doch anstelle von Brötchen sagst du jedesmal Fotze, z. B.: Hallo, ich hätte gerne vier Fotzen. Ja, welche sollen’s denn sein? Eine Mehrkornfotze, zwei Käsefotzen, eine Kürbiskernfotze und zwei normale Fotzen. Aber das sind doch sechs. Und dann laufen wir schnell raus.“
Sven starrte regungslos zu Boden.
„Oder, noch besser, wir gehen ins Restaurant. Herr Ober, in meiner Suppe ist eine Fotze. Hat die Fotze denn gemundet? Ganz vorzüglich, danke. Darf ich Ihnen noch eine Fotze zum Nachtisch bringen? Gern, zwei bitte.“
Peter sah zu dem in sich gekauerten Sven herunter, trank sein Bier aus und sagte: „Hast ja recht; ist eher unwahrscheinlich, dass der Kellner da mitspielt.“
„Ich will nach Hause.“, wimmerte Sven.
Nachdem Peter sich noch einen großzügigen Schluck Bier gezapft hatte und diesen gekonnt exte, verkündetet er großmütig: „Ja, lass uns nach Hause gehen. War ein anstrengender Tag.“

Am nächsten Morgen riss Peter die Augen wie besessen auf und hievte sich aus Svens Badewanne. Seine Knochen ächzten, die Keramik knarzte, aber er musste Sven etwas extrem Wichtiges mitteilen. Er stürmte ins Wohnzimmer, wo dieser, noch immer völlig leblos, einfach rumstand und die Raufasertapete streichelte.
„Sven, ich weiß vielleicht, wo wir Antworten auf unsere Fragen erhalten. Ich habe erst kürzlich von jemandem gehört, der von sich behauptet, dass die Welt nur wegen seiner Existenz noch nicht komplett aus den Fugen geraten sei. Ein echter Guru, zu dem die Leute geradezu hinströmen. Mensch, Sven, das wird uns guttun, wenn wir hier mal rauskommen. Ne, Sven, ne!“