I

Weit kam unser schwergewichtiger Held jedoch nicht. Hechelnd sprang er nach ein paar Metern ins erstbeste Taxi und wies den eingedösten Fahrer an, gottverdammtnochmal aufs Gas zu treten. Und siehe da, nachdem dieser Folge geleistet und Peter sich im Verklingen der Stimmen und Verblassen der Lichter sicher wähnte, realisierten beide, dass sie sich schon bei der Hinfahrt begegnet waren. Sichtlich genervt vom Anblick des vormals furzenden Fahrgasts, sagte der Fahrer: “Ah, du wieder. Wo ist denn dein Freund?” und verkniff sich einen bissigen Kommentar. “Ja, komm!”, sagte Peter. “Der is früher nach Hause. Jetzt fahr erstmal, geht dich sowieso nichts an.”
“Weißt du, eins ist mir vorhin klar geworden.” Er blickte zu Peter, der ihn gekonnt ignorierte. “Ich hab’ keinen Bock mehr. Leute wie du und dein Freund, pöbelndes Gesocks, Typen, die mir das Auto zuscheißen und zukotzen; darauf hab’ ich einfach keinen Bock mehr.” Peter horchte auf. “Jetzt versteh mich nicht falsch, ich weiß schon, dass der Job das mit sich bringt und überhaupt sind die meisten Gäste wahrscheinlich so normal ganz in Ordnung, aber ich hab‘ echt kein’ Bock mehr. Und dafür bin ich dir eigentlich sogar dankbar, also dir und deinem Freund. Ihr wart vorhin so das Zünglein an der Waage, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Denn morgen ist Schluss. Ab morgen lass ich das Taxifahren sein und mach was anderes.“
Peter senkte enttäuscht den Kopf. Nach einem tiefen Seufzer, sagte er schließlich: “Ist das alles?” Der Taxifahrer zuckte mit den Schultern. “Was meinst du?”
“Ob das alles ist, was du mir zu sagen hast? Also außer diesem pathetischen Stuss von wegen ‘Ich schmeiß’ hin und mach’ morgen was anderes’-Gesabber. Ich wurde gerade in der abgefuckten Dorfdisse Zeuge einer Tragikomödie monumentalen Ausmaßes und jetzt kommst du mit deinem Midlife-Crisis-Scheiß. Ich dachte, du wärst mehr als das.“
Der Taxifahrer hielt abrupt an. “Wie meinst du das?“
“Du stehst wohl auf Wiederholungen, was? Ich sagte, ich dachte, du wärst mehr als das!”
Verblüfft starrte der Taxifahrer Peter an, als hätte dieser ihm die Existenzfrage gestellt. Peter öffnete indes die Tür und sagte beim Aussteigen nochmals mit sanfter Stimme: “Ich dachte wirklich, du wärst mehr als das.”

“Scheiße, wo bin ich denn jetzt hier gelandet?” Peter musste sich kurz orientieren. Er war am Ortseingang und hatte noch etwas Fußmarsch vor sich. Eine Abkürzung durch den Wald schien ihm angebracht. Der Morgen dämmerte bereits und eine rötlich-schwache Sonne stieg an der Himmelslinie empor. Peter atmete kalte, klare Luft, die ihn zum Besteigen eines Hügels beflügelte. Oben angekommen sah er einen Mann, der mitten auf der Wiese schlief. Es war Sven. Erleichtert ließ er sich neben ihm nieder und blickte auf das Dorf. Wenn Zeit etwas Menschengemachtes ist, wer bestimmt dann, dass sie vorwärts läuft? Mit diesem Gedanken schlief auch er ein.