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“Guck mal da!”, riss Peter seinen Freund unsanft aus dessen Tanzbestreben. “Da ist ne Rothaarige.” Benommen blickte Sven umher und versuchte, Peters schwankenden Finger zu fokussieren, der auf die gegenüberliegende Seite der U-förmigen Bar zeigte. Dort nahm gerade eine Frau mit roten Haaren Platz. “Das ist die nich’.”, sagte Sven enttäuscht. Und so setzten sich die beiden wieder und bestellten eine neue Runde.

“Weißt du, was mir beim Tanzen bewusst wurde?”, fragte Sven nach einer Weile, die Frau gegenüber beobachtend.
“Nö.”, erwiderte Peter angeödet schnaufend.
“Dass in vielen Werken der Weltliteratur immer wieder Französisch gesprochen wird.”
Leicht verwirrt fragte Peter: “In französischen Werken oder wie?”
“Nein, allgemein. Zum Beispiel im ‘Zauberberg’ oder ‘Krieg und Frieden’.”
“Aha!”
“Ja, meistens im Dialog mit Frauen. Als ob Französisch der totale Antörner wäre, der die Frauen rallig macht, also auf so ‘ner emotionalen Ebene trifft.”
“Oho!”
“Wenn ich’s mir recht überlege, sollte ich das vielleicht auch mal ausprobieren. Ich hab doch ziemlich lange Französisch in der Schule gehabt und trau’ mir das zu.”
Mittlerweile hatte sich ein junger Mann zu der Frau gesellt, der angeregt auf sie einredete.
“Soso!”, sagte Peter nach einem kurzen Moment der Stille. “Was traust du dir zu? Die Alte auf Französisch anzulabern? Alter, ich halt’s nicht mehr aus mit dir. Du bist hier in ‘ner schäbigen Dorfdisse. Der einzige, der hier vielleicht noch Französisch kann, ist die Schwuchtel von Barkeeper. Von hinten, versteht sich.”

Doch Sven schenkte den Worten seines Freundes kein Gehör. Wie in Trance glitt er von seinem Hocker herüber an die andere Seite der Bar und näherte sich dem Duo. Noch bevor sie ihn bemerkten, sprach er den einzigen französischen Satz, den er sich im Voraus zurechtgelegt hatte: “Ce mec-là, il ne veut que baiser!”
Verdutzt sah man ihn an. Nach vielen unangenehmen Sekunden des Schweigens vernahm er ein gehauchtes ‘Wie bitte?’ von der rothaarigen Schönheit, die ihm Bann seines starren Blickes stand.
“Der Typ will nur ficken, hab ich gesagt! Das sieht man dem doch an.
Erneutes Schweigen umhüllte die Gruppe. Zu seiner Überraschung musste Sven feststellen, dass der Typ sich räuspernd davonmachte. Er setzte nach: “Mademoiselle, vous êtes tellement belle, avec vos cheveux rouges et votre visage si joli, je me tombait amoureux de vous.
Fasziniert und gleichermaßen geschmeichelt sah sie ihn an. Verstand sie ihn etwa? Sie antwortete nicht.
“Excusez-moi mon effort audacieux pour il est trop précipité, mais je dois vous rencontrer bientôt.” Aus dem Augenwinkel sah Sven den Kerl von vorhin, der sich mit seinen halbstarken Freunden auf den Weg nach ihm machte. Instinktiv spürte er, dass sie ihm an den Kragen wollten. “Ma chère, malheureusement je dois sortir cet établissement et j`espère profondément qu’on se voit à nouveau.” Er küsste ihre Hand und zwinkerte ihr zu. Sie lächelte verlegen.

Ich laufe, also bin ich. Sven nahm beide Beine in die Hand und lief in die Nacht hinaus. Als er wieder zum Stehen kam, graute bereits der Morgen.