XIV

Es war eine dieser Spätherbstnächte: dunkel, feucht, mucksmäuschenstill. Durch sie hindurch torkelten zwei angeheiterte Gestalten ihres Weges zur einzig passablen Kneipe des Ortes, euphorisiert schwatzend, kichernd und mit hochroten Köpfen.

„Ich laufe, also bin ich.“, hören wir Sven sagen. „Ich laufe, also bin ich.“, so als wäre es eine Eingebung. Seine Stimme überschlug sich leicht bei der Wiederholung des Satzes, was wohl auf eine Reaktion der Frischluftzufuhr in seinen absinthgeschwängerten Blutbahnen zurückzuführen ist.

„Bescheuert bis du!“, entgegnete Peter intuitiv.

Sie betreten den ‚Schmiedehammer’, die Kneipe mit dem überzogen urigen Namen, der trotz oder eher aufgrund seines Namens kaum Besucher anlockt.

„Na, was läuft, ihr Turteltäubchen?“, rief ihnen der Aushilfsbarkeeper beim Eintreten entgegen. Sven schaute Peter an, unterdrückte einen Lachanfall und prustete heraus: „Ich laufe!“ Johlend setzten sie sich an einen Tisch und gackerten Unverständliches vor sich hin, als Mo, wie alle den Aushilfsbarkeeper nannten, nach ihrem Getränkewunsch fragte.

„Zwei Bier und zwei Tequila, bitte. Aber eisgekühlt, ja?“

Mo nahm die Bestellung schweigend entgegen. Die Kneipe war fast leer. Nur ein weiterer Tisch war besetzt von Skat-Rentnern und an der Bar saß ein einsamer Mann, der gelegentlich an seinem Bier nippte und rauchte. Sven und Peter kannten ihn vom Sehen, wahrscheinlich war er jeden Tag hier. Im CD-Spieler lief irgendeine Uralt-Partyrock-Compilation auf Zimmerlautstärke. Man hörte, wie Mo die Biere und Tequilas auf ein Tablett stellte und damit langsam zu Sven und Peter schlurfte. Er zog das linke Bein ein bisschen nach und machte immer ein grimmiges Gesicht beim Gehen. Sven vermutete, dass bei ihm linkes Bein und linke Gesichtshälfte direkt miteinander verbunden seien und er deshalb beim Gehen Grimassen zöge.

„Dankeschön!“, sagten Sven und Peter unisono, während Mo wortlos von dannen zog.
“Hast du gesehen, wie der schon wieder drauf ist?”, fragte Sven.
“Wie immer halt.”, erwiderte Peter gleichgültig.
“Irgendwie muss ich bei seinem Anblick an diesen auto-, äh, autkro-, na diesen asozialen Erzähler denken.”
“Auktorial!”, warf Peter ein. “Du bist asozial.”
“Mo, der asoziale Barkeeper. Die ganze Zeit kein Bock und immer voll schlecht drauf.” Sven lachte laut auf.

Peter, der noch nicht betrunken genug war, um auf derartige Albernheiten einzugehen, wendete den Blick Richtung Bar, wo Mo sich gerade am Hintern kratzte. Er spuckte reflexartig das Bier aus seinem Mund zurück ins Glas, woraufhin beide in schallendes Gelächter ausbrachen.

Mo und die Skat-Rentner blickten nun argwöhnisch auf.

“Hast du Murmeln da?”, rief Sven Mo zu, als beide sich kurzzeitig beruhigt hatten. “Wir wollen murmeln!”.

Mo war die Sache sichtlich unangenehm, aber er war verantwortlich für den Kneipenfrieden, wenn auch nur zur Aushilfe. “Reißt euch mal ein bisschen zusammen hier.”, sagte er und sah seine Aufforderung im Winde verwehen, da die beiden, mit einer Hand auf den Tisch klopfend und mit der anderen den Bauch vor Lachen haltend, diese nicht vernommen haben.

“Jetzt passt mal auf, ihr Kasperköppe. Hier sind auch noch andere Gäste. Seid ihr auf Drogen oder was?”

“No, Mo!”, brach es aus Sven heraus. “Wir haben Durst. Mach mal noch zwei Bier und zwei Kurze.”