IV

„Was ist das denn?“, fragte Sven irritiert.

„Ach, nur so ein Gedankenspiel. Hatte ich gerade notiert, als du geklingelt hast. Ist noch nicht ganz zu Ende gedacht.“

„Hmm“, seufzte Sven und las laut vor: „ewiger Misserfolg ohne Ausnahme – minus x minus = plus – Trigger.“ Nach kurzem Schweigen sah er Peter nichtssagend an.

Peter kannte den Blick seines Freundes, der irgendwo zwischen ratlos und abschätzig lag. „Nun ja“, begann Peter voreilig, „ich habe mir Gedanken gemacht, wie ich meinem Leben etwas Positives abgewinnen kann. Kurz gesagt glaube ich, dass ich, bei der enormen Menge an Misserfolgen, die sich wie ein roter Faden durch mein Leben ziehen, irgendwann die Chance habe, alles schlagartig in einen riesigen Erfolg umzuwandeln, wenn nur ein gewaltiger negativer Einfluss auf mich einwirkt, der mir quasi den Rest gibt. Wenn ich ganz unten angekommen bin, also so, dass nach unten kein Platz mehr ist, ändert sich mein Leben vielleicht auf einmal zum Besseren.

„Enorm, riesig, gewaltig; das sind immense Worte“, erwiderte Sven, der spitzbübisch die Mundwinkel anzog. Und überhaupt, bist du nicht schon längst ganz unten angekommen?“ Peter reagierte gelassen auf die Provokation seines Freundes, denn er wusste um die sarkastische Art Svens und seine Vorstellung davon, jemanden „aufzuheitern.“
„Aber interessant ist das schon, muss ich zugeben. Ich hab’ mal ein Buch gelesen, das „Vom Nachteil geboren zu sein“ hieß. Geiler, deprimierender Scheiß.

„Ach, ich hab’ die Schnauze voll vom ewigen Lesen. Mein ganzes Leben hab ich damit verschwendet, doch wohin hat es mich gebracht? Lesen stattet dich vielleicht mit geistiger Munition aus, aber was bringt es dir, wenn du daraus keinen praktischen Bezug herstellen kannst, beziehungsweise nicht mal herstellen willst, weil du ein faules, weltfremdes Schwein bist. Aber ist schon in Ordnung, ich habe mich damit abgefunden. Und daraus ziehe ich jetzt meine Kraft. Wenn sich die Abwärtsspirale nur beschleunigen ließe, entstünde ein Sog, der mich schneller nach unten zöge.

„Musst du schon wieder so geschwollen reden?“, erwiderte Sven genervt. „Klar, dass dich bei den ganzen Konjunktiven keiner versteht oder mag. Wie willst du das überhaupt alles anstellen? Welcher Auslöser könnte stark genug sein, deinem Leben die positive Wende zu geben? Du hast doch niemanden außer mir. Moment mal, willst du mir ans Leben?“ Er lachte laut auf.

Peter, dem Svens Vorschlag kurzzeitig sehr einleuchtend war, wandte enttäuscht den Kopf zur Seite, weil ihm diese Idee nicht selber gekommen war und weil dessen Umsetzung jetzt nicht mehr originell war, obgleich nur die beiden davon wussten. „Ja, ich werde dich wohl umbringen müssen“, entgegnete er mit schwachem Lächeln. „Warum bist du eigentlich hier?“, brach er mit seinen unanständig wechselnden Gedanken.

„Weiß auch nicht. Brauche ich neuerdings einen Grund, um bei dir vorbeizukommen?“

„Nee, alles gut. Dann lass uns erstmal nach oben gehen. Wie soll man denn die Probleme der Welt auf dem Flur lösen? Achso, wie war’s denn nun auf dem Amt?